Heimo Zobernig
Opening: 3. May 2019, 7pm
May - July 2019

Text zur Ausstellung
Heimo Zobernig – REAL oder die Frage nach der Wirklichkeit des Kunstobjekts

Für die aktuelle Ausstellung in der Galerie Widauer hat Heimo Zobernig zwei für ihn quasi archetypische Werkgruppen konzipiert. Im Hauptraum sind zwölf 50 x 50 cm große Schriftbilder in Acrylglas zu sehen.  Das quadratische Bildformat unterteilt sich in vier kleinere Schriftquadrate, auf denen in unterschiedlichen Farbkonstellationen die Wörter REAL und EGAL zu lesen sind. Die alliterierenden Wörter in Versalien sind gleich lang und erfüllen somit die geometrischen Voraussetzungen für jeweils eine Doppelüberlagerung der Begriffe.  REAL ist in diesem Zusammenhang ein durchaus schillernder Begriff. Zum einen impliziert das Wort die Unmittelbarkeit der Anschauung, das Bild „ist, was es ist und ist nichts Anderes (Dan Flavin). Die Wirklichkeit ist hier also das, was man als Betrachter sieht und wahrnimmt. Auf gleichsam subversive Weise überlagert der Künstler das Reale mit dem relativierenden Begriff EGAL. Durch die Dichte der Schichtungen ist somit jeweils das Reale als auch dessen Infrage-Stellen sichtbar. Zobernig „bändigt“ die beiden Begriffe in einem seriellen System des sich Wiederholens und der Differenz. Die unterschiedlichen Farbkonstellationen implizieren unterschiedliche Intensitäten, Gewichtungen, formale Verrückungen und variable Farbräume. Zobernig lässt sich nicht auf eine reduzierte, streng limitierte Farbskala ein, vielmehr schwelgt er in zehn verschiedenen, intensiven Farbtönen sowie den Nichtfarben schwarz und weiß. Dies führt zum Eindruck einer wahrhaftigen Üppigkeit im Geometrischen. Die Schichtungen sind nicht transparent, reduziert, sie erscheinen als fast malerisch pastose Überlagerungen der Versalien. Die serifenlose Schrift wirkt kompakt, undurchlässig und zugleich bricht er dies durch eine in Bezug auf geometrische Arbeiten geradezu fröhliche, üppige Farbskala wiederum auf.

Diese Leichtigkeit und Sinnlichkeit im Umgang mit kunsthistorischen Vorbildern und Traditionen ist charakteristisch für das Werk Heimo Zobernigs im Allgemeinen und setzt sich in der Ausstellung fort mit den zwölf Acrylglasrahmen in den eben genannten zwölf unterschiedlichen Farbtönen. Das Bild ist bei Zobernig immer auch Objekt, und so ist auch der Rahmen ein präzises Hinterfragen von Wirklichkeit, Funktion und Ort. Das Kunstobjekt wird unter anderem auch bestimmt durch seinen Ort.

In der Kunstgeschichte ist es unter anderem Marcel Duchamp, der den Begriff des Kunstgegenstandes auch durch seinen Kontext definiert. Bei Heimo Zobernigs Serie aus Acrylglasrahmen gilt es zwei Aspekte zu bedenken. Das Wort „Rahmen“ stammt aus dem Althochdeutschen „rama“ und bezeichnete eine Stütze, ein Gestell oder auch einen (Web)rahmen. Ein Rahmen ist also etwas, das einen bestimmten Bereich umfasst und ihn gegen andere abgrenzt. Heben wir es hier also mit einem Rahmen im eigentlichen Sinne zu tun? Was grenzt er ab? Wogegen? Zobernigs Arbeiten werden oft als ironisch augenzwinkernde Anspielungen auf den Kunstbetrieb, tradierte Rezeptionsgewohnheiten oder als Aufbrechen alter Kontexte gesehen. Hinter dieser scheinbar einfachen seriellen Setzung farbiger Rahmungen steht jedoch eine fundamentale Frage nach der Wirklichkeit und dem Kontext von Kunst. Was umschließt jener Rahmen? Die 60 x 60 cm großen Umrandungen lösen etwa die Trennung zwischen Bildgrund und Rahmen auf, da die Umrandung ja tatsächlich die Wand einfasst. Die weiße Mauer wird zum Bildgrund. Andererseits ist die unterschiedliche Farbigkeit der Rahmen das Thema dieser Serie. Die Farbe der Umrandung bestimmt den Raum, den sie umschließt. Der Rahmen wird zum Zentrum. Das gewohnte, traditionelle Zentrum – nämlich das Bild selbst – tritt als purer Wandhintergrund zurück – die reine Umgrenzung, die Rahmung, das Einfassen eines Bildes – wird zum Kunstobjekt. Dazu kommt, dass das Material selbst ganz pur, unverfälscht erscheint. Es ist industriell gefertigte Ware, nicht gemalt, arrangiert oder irgendwie verändert.

Heimo Zobernig stellt auf sehr affirmative, aber zugleich auch subtile Weise die Voraussetzungen und Rezeptionsweisen von Kunst selbst in Frage. Der Unmittelbarkeit der Wahrnehmung, jener Selbstverständlichkeit des Umgangs mit geometrischer Kunst setzt er fast subversive Brüche entgegen: die Widersprüchlichkeit des Begrifflichen, die intensiven Farbschichtungen, die Variabilität des Formalen in Bezug auf Rahmen, Umrandung oder Einfassung. Und so erzielt der Künstler jene spannende Rückbesinnung auf fundamentale Fragen nicht nur der Kunstbetrachtung, sondern auch dessen, was Kunst heute kann oder sein sollte.

Gaby Gappmayr 2019