Tobias Abel
Malerei
Opening: 20. April 2007, 7pm
April - June 2007

Text zur Ausstellung
Wenn man keine Kosmetik betreibt, ist der Blick hinter die Kulissen ein anderer.

Vor kurzem besuchte ich den Vortrag eines Künstlers, der seine Arbeit über eine Liste theoretischer Ausführungen zu erklären und zu rechtfertigen versuchte. Alles wirkte sehr akademisch und aufgesetzt, und funktionierte wie eine Art sprachlicher Schützengraben. Sicher bestand die Notwendigkeit, die stark formalisierte Arbeit aus dem rein sichtbaren Bereich nachträglich in ein theoretisches Konzept zu überführen. Die Arbeiten nutzten Aspekte der Monochromie, der konkreten Kunst, der Minimal Art und des Neo Geo, standen aber der Skulptur wesentlich näher als der Malerei. Obwohl es auch bei ihm um Farbe ging, war es doch eher die theoretische Farbe eines Rodtschenkos, allerdings fast grafisch angewandt und nicht so radikalisiert. Wie wir wissen, führte diese theoretische und isolierte Farbe bei Rodtschenko dazu, daß das Triptychon seine Laufbahn als Maler direkt beendete. Was mir bemerkenswert erscheint, ist die Tatsache, daß sich die Arbeit gegen die Künstler bzw. gegen die Malerei selbst richtete, und eine weitere Entwicklung und eine persönliche Identität verhindert wurde.

Mit methodischen Selektionsprozessen verabschiedet man sich vom Schöpfungsakt in der malerischen Praxis, den ich als einen elementaren Bestandteil ansehe. Im Prozeß wird das Bild als Ganzes definiert: die Größe, der Träger, die Farbigkeit, der Auftrag, die Dichte, der Bildraum. Es sind sehr spezifische Kriterien, die sich nur dort entwickeln können. Man findet sie nicht in Büchern. Dieser Weg führt über die Realität – und da sind die Fakten meist interessanter. Hier zeigt sich, daß es nicht um eine intuitive Spontanität gehen kann, sondern um eine bewußte, schöpferische Handlung. Entdeckungen lösen bereits Bekanntes ab oder ergänzen es auf eine Art und Weise, die es ermöglicht, flexible und differenzierte Antworten weiter voranzutreiben. Es stimmt, daß man die dabei entstehende Ungewißheit aushalten muß. Von einer Beliebigkeit läßt sich dann allerdings nicht mehr sprechen, und das halte ich für wichtig.

Die Farbe ist kein Anhängsel, ist nicht sekundär, und die Art und Weise wie gemalt wird ist nie allein ein mechanisches Verfahren. Deshalb spreche ich von Malerei und Arbeit am Tafelbild, nicht von Anstrich. Daß auch ein Anstrich eine Malerei sein kann, vielleicht sogar eine gute, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt.

Malerei als reine Konzeptkunst oder Technik und Virtuosität als Selbstzweck hat mich nie wirklich interessiert. Wenn man Maler ist, kann es nicht sinnvoll sein, einer Farbe dogmatisch eine Form zuzuordnen oder zu überlegen, welche Farbe am meisten an den Gesang eines Kanarienvogels, an das Muhen einer Kuh oder an das Pfeifen des Windes erinnert.

Meine Bilder sind keine Gleichnisse. Sie sind ein durch das charakteristische Mittel der Malerei erzeugter Ausdruck. Und das Ausdrucksmittel für die Malerei ist die Farbe. Wenn ich einzelne Farben, z.B. wie Goethe ein Blau-Grün mit gemein-widerlich gleichsetzen würde, könnte ich sie nicht verwenden. Daß man glaubt, Blau repräsentiert den Raum und das Leben, empfinde ich als schwierig. Die Blautöne für die runden Bilder werden allesamt zu Mischfarben, die ich bisher so noch nicht verwendet habe und vorher auch nicht kannte. Eine Annäherung auf reiner Gefühlsebene, vielleicht sogar auf einer naturalistischen, halte ich nicht für angebracht. Ich möchte nicht, daß die Farbe und letztendlich das Bild zu einem Stimmungsträger verkommt.

Das Formenvokabular der Bildformate ist nicht symbolisch oder religiös motiviert, nicht als ein Sinnbild der Schöpfung oder als Zeichen des Göttlichen. Es sind malerische Entscheidungen, die zum Tragen kommen, und Dinge, die sich aus dem Tun heraus entwickeln, die überprüft, als gültig angenommen oder verworfen werden. Jeder Realisierung geht ein ganz bestimmtes Verlangen voraus. Stimmung und Verlangen sind zweierlei.

Es gibt keine Farbe ohne Form in der Malerei. Farbe ohne Form ist ein Irrtum der Impressionisten, genauso wie der Begriff vom unschuldigen Auge. Die Farbform wird eher objektiv erfahren, die Farberscheinung eher subjektiv. Ob die Malerei diesen Polaritätsgedanken nun aufheben kann oder nicht – zumindest wird diese formale Struktur meiner Meinung nach nicht zur Metapher einer sozialen, erfahrbaren Wirklichkeit.

Das Rundbild wurde erst im Barock zum Oval, nach der Renaissance eine weitere Annäherung an die Natur. Für mich ist die Auflage einer Wandmalerei von 2003 keine dekorative Ausführung des Barocks, sondern ich glaube, sie stärkt die Architektur, wird aber nicht von ihr absorbiert. Die Wandmalerei wird anders als ein Tafelbild in die Architektur eingeführt und verortet.

Interessanterweise belegen Röntgenaufnahmen bei Gemälden von Tizian eine Arbeitsweise, bei der erst mit den übereinandergelegten Schichten die entgültige Fassung wächst. Ihm ging es um Fragen der Komposition, aber auch um Fragen des Kolorismus und immer um die Mischfarben. Jedes Bild entwickelte sich aus einer spezifischen und nuancierten Palette heraus. Ein Grund, warum ich den Begriff der Monochromie nicht mag. In der zeitgenössischen Kunst erscheint der Begriff meist dann, wenn der Künstler versucht, Malerei zu instrumentalisieren.

Ich glaube, die Macht des Stylings ist nur von kurzer Dauer. Ein reduktionistisches Verfahren und „größer, bunter, lauter“ führt beides zum gleichen Ergebnis. Eins ist sicher: ein möglicher formaler Endpunkt muß in jeder Arbeit überwunden werden, um überhaupt weitermachen zu können.

Die handgestrichenen Farbmuster entstehen sowohl während der Arbeit an einem Bild, als auch völlig unabhängig davon. Bis zur Eröffnung der Ausstellung wird ihre Zahl weiter anwachsen. Sie sind mehr eine Arbeitsgrundlage als eine Arbeit im Sinn eines postmodernen Kunstwerks mit oder an einem Archiv. Vielleicht sind sie sogar ein Werkzeug. Ihre Existenz hat für mich etwas Selbstverständliches. Mir ist es nicht wichtig, anhand der Farbmuster aufzuzeigen, welche Farbschichten unter der letztlich sichtbaren Oberfläche des Bildes liegen. Wenn man keine Kosmetik betreibt, ist der Blick hinter die Kulissen ein anderer.

Tobias Abel, Februar 2007