Thomas Bayrle
Jacke wie Hose
Opening: 26. January 2007, 7pm
January - March 2007

Text zur Ausstellung

In seinem – seit den 60er Jahren konsequent entwickelten Werk, geht Thomas Bayrle formal von komplexen Strukturen und Schichtungen aus Gegenständen aus. Inhaltlich geht es dem Künstler von Anfang an um das Verhältnis von Individuum und Masse, um gesellschaftliche Prozesse...wie Massenproduktion und Konsumtion etc. –

Formal werden seit Anfang der 60er bestimmte Mengen von Einzelgegenständen / Modulen zu gegenständlichen Rastern montiert. Wird in einem solchen Raster eine gewisse Menge von Teilen überschritten, verändert sich seine Qualität.

Als Summe von Einzelformen entsteht dann eine Superform.
– Tasse / Tassen / Supertasse – 1 VW / 1000 VW / Superkäfer. –

Im Laufe der Jahre hat Bayrle sich sowohl technisch als auch gesellschaftlich differenziert mit diesen Fragen und Aspekten beschäftigt, und sie in diversen Formen durchdekliniert. Es entstanden Montagen / Tapeten / Bücher / Bilder / Filme.

Die Einzelmodule waren am Anfang simple piktogrammartige Zeichen, die aneinander gereiht wurden – und in ihrer Summe Lego-ähnliche Akkumulationen ergaben. Indem Bayrle die Information der Bauteile zu seinen Grafiken und Filmen im Laufe der Zeit ständig erhöhte, wurden seine Gesamtgewebe immer komplexer. Die Poren eines Gesichtes z B - entwickelten sich so von Piktogrammen über Fotos zu Filmen. – Technisch waren die Arbeiten so angelegt, dass der Einsatz von Maschinen (Computer) schon Mitte der 60er intendiert zu sein schien. – In der Ausstellung sind Arbeiten ab 1967 bis heute zu sehen.

Die Tapetenarbeit „Jacke wie Hose“ ist eine Sequenz aus dem Buch „Feuer im Weizen, welches Bayrle 1970 im März Verlag herausgebracht hat. Er arbeitete damals u a mit Guenter Amendt an dem Buch Sexfront, welches jahrelang in „fortschrittlichen Schulen“ zu finden war. Ab 1967 hatte die Kommune 1 in Berlin – Sex als „politische Waffe“ propagiert - während Oswald Kolle die bürgerliche Ehe durch mehr „Variationen in Deutschen Ehebetten“ retten wollte. –

Diese „verlogene Groteske“ hatte Bayrle zu dem Buch stimuliert. Bei ihm ist Sex in der Gesellschaft von 1970 genau so eine Massenware, wie alle anderen Bereiche der Massenproduktion, Poppkonzerte auch. -

Parallel zur westlichen Ausprägung des Kapitalismus – hat sich Bayrle ab 1964 für die chinesische Revolution und ihre „Ornamentik der Volksmassen“ interessiert. Völlig unbekümmert mischte er damals kapitalistische - und sozialistische Elemente in Collagen Bildern und Objekten durcheinander. –

2005 war Bayrle 4 Monate in Peking und hat in dieser Zeit eine Serie von 10 Objekten „Chinese Motorways“ produziert, von denen 3 in der Galerie zu sehen sind. –

Die Objekte bestehen aus drei Ebenen – die ineinander geschoben sind. Ebene 1 besteht aus - gestanzten Pappstreifen, die an Autobahnen erinnern und reliefartig ineinander verflochten sind. In die Ebene 2 ist durch den Verlauf von Über – und Unterführungen jeweils ein chinesisches Schrift - Zeichen in das Gewebe eingeschrieben. – In Ebene 3 kommt ein Foto aus der Mao Zeit dazu, welches mit dem Zeichen korrespondiert. Das Objekt – Sun Yatsen + Mond + Autobahn oder der Lange Marsch + Mitte + Autobahn – repräsentieren so 3 chinesische Perioden in einem Gewebe – indem das 3000 Jahre alte Schriftzeichen / das Revolutionsfoto aus der Mao Zeit und die (Daten)Autobahn zu einem Stoff verwoben sind.

2007