Karl Unterfrauner
Opening: 28. Jänner 2022, 7pm
Februar - März 2022

Text zur Ausstellung
Karl Unterfrauner – Fotografie und Erinnerung 

In den Werken Karl Unterfrauners wird das Wesen der Fotografie sichtbar. Denn anders als etwa beim Film oder in der Malerei ist die Fotografie nicht Vermittlerin von etwas, sondern erscheint als das „Wirkliche in seinem unerschöpflichen Ausdruck“. Was Roland Barthes in seiner Abhandlung über die Fotografie immer wieder fasziniert, ist die Tatsache, dass die Fotografie ein Festhalten eines Augenblicks ist. Dieser Augenblick

ist unwiederbringlich, er wird sich so nie wieder mehr wiederholen. Dieses Einfrieren, wenn man so will, jenes einzigartigen Moments bestimmt das Wesen der Fotografie. Das Dargestellte, oder wie Barthes es nennt, der „fotografische Referent“, wird durch einen physikalisch, chemischen Prozess zum Bild. In der aktuellen Ausstellung in der Galerie Widauer verbindet Unterfrauner das Medium der Fotografie mit Kindheitserinnerungen. Das Festhalten einer vergangenen Realität, wie es eben nur die Fotografie kann, ist zugleich magisch und melancholisch. Derjenige, der ein Foto betrachtet, verändert sich, wird älter, macht neue Erfahrungen, sieht Neues, während das Foto wie eine lautlose Stimme aus der Vergangenheit, ein Mahnmal zuweilen, unverändert bleibt und den einen, einzigen Augenblick für immer festhält.

Das dreiteilige Foto aus der Serie PasserFritz (2019/20) ist eine Schwarz-Weiss Fotografie einer Feuerstelle. Man denkt an Jugendliche, die am Flussufer sitzen, am Feuer plaudern und die Zeit genießen. Auf den Fotos sind keine Personen, und doch suggeriert eine Feuerstelle die Präsenz von Menschen. Zum einen hat eine Feuerstelle etwas Archaisches, es ist aber auch ein symbolischer Ort für Vergangenes, für Erinnerungen. Das Foto ist gleichsam künstlerischer Impuls, sich zu erinnern, sich die eigene Vergangenheit wieder in Erinnerung zu rufen. Die Feuerstelle ist kein leeres Objekt. Der Rauch ist ephemeres Zeichen im Raum. Die Flüchtigkeit des Rauches wird durch die Transformation in der Fotografie zum Symbolbild des festgehaltenen Augenblicks.

Der Rauch verflüchtigt sich hier nicht, er wird zum Symbol des Hier und Jetzt, das aber auch nur noch als Rekonstruktion einer Vergangenheit existiert. Das Bild ist jener vergangene Moment, aber es ist eben „nur“ noch ein Bild, ein Abbild der Wirklichkeit, wie sie einst gewesen sein mag. Und insofern ist auch jenes Medium, das scheinbar fast journalistisch die Wirklichkeit einfängt, eigentlich doch auch wiederum eine Konstruktion von Wirklichkeit. Ähnlich gilt für Unterfrauners subtile Farbvariationen. Diese Bilder evozieren die Pflanzenvielfalt an eben jener Feuerstelle. Sie ähneln geologischen oder biologischen Studien, man erkennt die unterschiedlichen Farbnuancen und verbindet die Farbimpulse mit der eigenen Erinnerung an die verschiedenen Grüntöne an jenem Ort der Kindheit. Es sind gleichsam Versatzstücke für die Erinnerung. 

Das Sich-Erinnern ist ein Prozess unseres Gedächtnisses. Das real Erlebte und die Erinnerung sind zwei ganz unterschiedliche Zeit-und Raum-Ebenen. Das Erleben ist vergänglich, der Augenblick ist schon im Jetzt etwas Vergangenes. Die Erinnerung mag durch die Fotografie in Gang gesetzt werden, wie der Auslöser bei der Kamera, aber es ist eine andere Wirklichkeit, vielleicht eine schönere, idealere, vielleicht auch nicht.

Unterfrauner schafft mit nur scheinbar objektiven, nicht emotionalen Mitteln eine neue Wirklichkeit, deren Impuls seine Kindheitserlebnisse waren, deren Präsenz als künstlerisches Postulat jedoch weit darüber hinaus gehen und dem Betrachter die Faszination und existentielle Brisanz von Erinnerung, Augenblick, Geschichte, Nähe, Ferne, Wirklichkeit und Idealität vor Augen führen. 

Gaby Gappmayr 2020