Karl Unterfrauner
Opening: 19. September 2014, 7pm
September - November 2014

Text zur Ausstellung
Karl Unterfrauner – Die Fotografie als Konstruktion von Wirklichkeit

In der aktuellen Ausstellung der Galerie Widauer zeigt Karl Unterfrauner neue Werke. Zentrales Stück ist eine originale Straßenlampe der Brennerautobahn, deren Design in den 1970er Jahren entwickelt wurde. Sie ragt bis hoch in den Galerieraum und in einem leichten Bogen taucht sie Unterfrauners Fotografien in ein orangefarbenes, seltsam fahles Licht. Diese Skulptur ist wie ein Leitmotiv im Werk des Künstlers, symbolisiert sie doch die Bedeutung von Objekt, Licht und Kontext. Die Lampe beleuchtet eigentlich Autobahnen und erscheint hier in einem völlig anderen Kontext: Transferiert vom Außen- in den Innenraum wird sie zu einem skulpturalen Element, das die Präsenz der umliegenden Objekte und auch die Wahrnehmung des Betrachters beeinflusst und verändert.

Das Licht ist Grundlage der Fotografie und so schließt sich der Kreis zu den aktuellen Werken Unterfrauners. In einer großformatigen Schwarz-Weiß Fotografie wird das Fehlen von Farbigkeit und die Mystik des orangenen Lichtes zur atmosphärischen Entsprechung des Inhaltlichen. Es ist die Fotografie eines Hauses in Gossensass, auf den ersten Blick ein alltägliches Motiv. Doch bei genauerem Hinsehen entdeckt man, dass das Haus verlassen ist. Es hat sich schon Moos gebildet. Vor dem Haus steht ein Auto, ein weißer Golf ohne Kennzeichen aus den 1980er Jahren. Es ist die Dokumentation von Vergangenem, visualisierte Zeit. Ein Ausschnitt aus der Welt der unmittelbaren Anschauung, dessen also, was wir Wirklichkeit nennen, wird zu einer Momentaufnahme der Geschichte, d.h. von Gewesenem.

„Die Fotografie ist eine auf die Spitze getriebene, aufgeladene Augenfälligkeit, gleichsam die Karikatur nicht der Gestalt, die sie wiedergibt (ganz im Gegenteil), sondern die ihrer eigenen Existenz“, schreibt Roland Barthes in seinem Essay Die helle Kammer über das Wesen dieses Mediums. In Unterfrauners Fotografien spiegelt sich eben jener Gedanke wider. Das Medium selbst und der künstlerische Blick des Fotografen bestimmen das Dargestellte. Funktionen des Gegenständlichen treten in den Hintergrund, es geht um das Geheimnisvolle des Dinglichen an sich. Die Fliegenklatsche wird in seiner intendierten Bewegung zu einem quasi erstarrten Objekt und der freigestellte weiße Stumme Diener, dessen seltsame Struktur in Zusammenhang mit seiner eigentlichen Bestimmung beim Betrachter eine Reflexion über die Abstraktheit und Fremdheit scheinbar vertrauter Gegenstände evoziert. Immer wiederkehrendes Thema bei Unterfrauner ist auch die Diskrepanz von Natur und Geometrie, wie etwa beim Knoblauchstrumpf, der in seiner Farbigkeit an eine filigrane Zeichnung denken lässt oder auch die dunklen Orangenblätter hinter dem bläulich geometrischen Geflecht oder auch die Aufnahme vegetabiler, jedoch seltsam geographieloser Strukturen.

In all seinen Werken thematisiert der Künstler die Labilität der Wahrnehmung und die Konstitution von Wirklichkeit durch das Medium der Fotografie, was zu existentiellen Fragestellungen führt: Was ist real? Was ist ein Gegenstand? Auch die Frage nach Zeit und Raum ist immer präsent.

Unterfrauners Fotografien entziehen sich präzisen Bestimmungen. Durch die Vereinzelung der Gegenstände schaffen sie eine Wirklichkeit, die unsere eigene Wahrnehmung in Frage stellt oder zumindest irritiert. Und darin liegt der künstlerische Reiz der Werke von Karl Unterfrauner.

Gaby Gappmayr, 2014