Nikolaus Schletterer
lichten
Opening: 21. April 2006, 7pm
April - June 2006

Text zur Ausstellung
Nikolaus Schletterer Lichten

Das Licht ist die fundamentale Basis der Fotografie. Zum einen ist es unverzichtbar, um die Gegenstände der Wirklichkeit sichtbar zu machen, zum anderen ist es das Trägermedium der Fotografie. Mit der Belichtung wird der Film in einer analogen Kamera (der CCD - Chip in einer Digitalkamera) für eine bestimmte Zeit dem durch das Objektiv einfallenden Licht ausgesetzt. Je länger die Belichtung dauert, desto mehr Licht fällt auf die lichtempfindliche Fläche, desto heller also wird das Bild. In seiner phänomenologischen Studie zum Wesen der Fotografie, Die helle Kammer, betont Roland Barthes die Bedeutung der Chemie für die Entwicklung des Mediums der Fotografie. Die Entdeckung der Lichtempfindlichkeit von Silbersalzen erlaubte es, die von einem abgestuft beleuchteten Objekt zurückgeworfenen Lichtstrahlen einzufangen und festzuhalten. Thema der Ausstellung von Nikolaus Schletterer ist das Licht. Nach Barthes ist die Fotografie “durch die Wirkung des Lichts enthülltes , hervorgetretenes , ausgedrücktes Bild.“ In den präzisen, formal streng durchdachten Fotografien Schletterers geht es um das Verhältnis von Natur und Technik. Archaisch anmutende Formen der Natur wie etwa die expressiven knorrigen Baumstämme, die magische Weite dunkler Felder im Schnee, oder erstarrte, ausgetrocknete Ebenen treffen auf Formen einer technologischen Realität, wie die Eisenbahnschienen, der Kühlreaktor oder Röhren eines Kraftwerkes.

Der Prozess der Stromgewinnung als fotografische Faktizität. Die Herkunft des Bildes wird im Motiv und in der Technik der Bilderzeugung sichtbar. Das Licht ist einerseits transformierender, abstrakter Hell - Dunkel Kontrast bei den Schwarz - Weiß Fotografien und Indikator der Tageszeit oder einfach Lichtgrund des Bildes bei den Farbfotos. Der durch die beiden Lampen intendierte Lichtraum verändert den Blick des Betrachters, nicht das Wesen der Fotos selbst. Anders hingegen bei dem Tryptichon im verdunkelten Kabinett der Galerie. Der den Primärfarben angenäherte Vorhang in einem Kinosaal wird auf den digital bearbeiteten Fotos zum magischen Objekt. Er verhüllt, was erst durch sein Verschwinden als fiktive Abfolge bewegter Bilder für den Betrachter im Kino sichtbar wird. Der Betrachter der Fotografien steht in imaginärem Dunkel. Der Lichtstrahl, der ja als rein bildimmanente Wirklichkeit den Vorhang beleuchtet, tritt aus dem Bildgrund in die Wahrnehmungsrealität des Betrachters.

In Nikolaus Schletterers subtiler Bildwelt durchdringen sich die fundamentalen Bedingungen des Mediums und der ontologische Charakter der Fotografie in der Abbildung einer menschenleeren Wirklichkeit aus Natur und Funktion. Die einzelne Fotografie ist Oberfläche und zugleich Ergebnis komplizierter chemischer Prozesse. Die scheinbare Einfachheit und Elementarität seiner Bildinhalte bildet einen reizvollen Kontrast zu den Voraussetzungen des Mediums, die der Künstler in Beziehung zum Betrachter setzt. Es geht um das Wesen der Fotografie und die Frage nach der Wirklichkeit einer auf der Immaterialität des Lichts beruhenden Kunst.

Gaby Gappmayr, 2006