Martin Gostner - Georg Herold
Martin Heinrich Maria Theodor
Eine Einzelausstellung
Opening: 28. September 2012, 7pm
October - November 2012

Text zur Ausstellung
Martin Gostner und Georg Herold Sprache, Objekt und Kontext

In der aktuellen Ausstellung der Galerie Widauer sind Werke zweier Künstler zu sehen, deren Konzept nur auf den ersten Blick von ähnlichen Prämissen bestimmt wird. Es sind dies die Hinterfragung der Funktion von Sprache, disparate Alltagsobjekte als Bedeutungsträger und einfache Konstruktionsprinzipien. Dies spiegelt sich bereits in der Einladungskarte, deren scheinbar enigmatischer Titel Teil des Ausstellungskonzepts ist. Es geht um die Interferenz und künstlerische Divergenz zweier unterschiedlicher Künstlerpersönlichkeiten, daher auch der nur scheinbar widersprüchliche Untertitel der Ausstellung, „Eine Einzelausstellung“. Die Korrespondenzen sind zum einen in den Titeln der Werke sichtbar. Bei Georg Herolds neuen Werken finden sich die Titel „ Martin“ und „Heinrich“ für die beiden Tischobjekte, sowie „Maria Theodor“ für die emporgestreckten Armskulpturen. Martin und Heinrich sind Vornamen von Georg Herold, während Maria Theodor auf die weiteren Vornamen von Martin Gostner anspielen. Schon in der Bezeichnung des Werkes wird der Bezug zwischen den Künstlern sichtbar. Martin Gostner bezieht sich mit seinen Portraittiteln „ Latte im Tee“ und „Wattemacke“ auf die jeweils charakteristischen Materialien der Künstler. Es ist ein Wechselspiel aus ironischer Referenz, Abgrenzung und Verwirrspiel mit Identitäten.

Die Werke der beiden Künstler sind in unterschiedlichen Räumen. Der niedrige, kabinettartige Raum korrespondiert mit der intimen privaten Thematik des Werkes von Martin Gostner. Auch die Watte als einerseits unverfälschter,  aber auch durch die Transparenz der Farbe im Raum ungreifbarer, schwereloser Stoff ist gleichsam von den Wänden eingeschlossen. Die Wattenkiste mit Loch, „For the Angel of Fire“  bezieht sich auf primitive Bedürfnisse eigentlicher Superhelden, was im Text des gegenüber hängenden Bildes inhaltlich wieder aufgegriffen wird. Die beiden Stücke sind Teil eines „Erkers“, den Martin Gostner für Maria Waldrast realisierte. Hier ist das „Fartmen Commandment For Fire“ intensiviert durch die Verlagerung in einen Innenraum. Das „entspannte Feld“ als Terminus technicus aus der Entwicklungspsychologie ist als Kontrapunkt in der fast mystischen Dunkelheit der Fotografie sowie dem gleichsam im Raum schwebenden Watteelement Synonym für Spannungslosigkeit. Es kontrastiert mit der Aktivität der vermeintlichen Superkräfte und ist zugleich Initiationspunkt für Neugier und soziales Verhalten.

Georg Herold thematisiert in seinen Werken die komplexe Beziehung zwischen physischer Wahrnehmung, Sprache und kulturellem Kontext. So ist der Titel des Werkes „airs and graces“, was im Englischen als idiomatische Wendung für jemanden gebraucht wird, der sich den Aplomb des Bedeutenden verleiht. Wir kennen etwa den Ausdruck „Jemand hat Allüren“.  Auf subtile Weise ironisiert Herold mit dem Titel die Physiognomie der nach oben gereckten Arme, die durchaus als dynamische, ja geradezu kämpferisch expressive Geste gesehen werden können. Er bricht den an Arbeiterkämpfe erinnernden Gestus dadurch, dass er in die offenen Hände einen Putzlappen und einen Schwamm steckt. Herolds vielschichtige Werke beruhen auf der Diskrepanz von Gegenstand und Kontext, sowie auf dem Infragestellen scheinbar eindeutiger Beziehungen und Verbindungen zwischen den Objekten. Seine Skulpturen und Installationen sind Konstruktionen disparater Elemente. So suggeriert der Tisch mit dem Suppenteller einen völlig anderen situativen Kontext als das Kondom. Durch die Verbindung beider Elemente, entsteht jedoch ein reizvolles neues, metaphorisches Objekt. Die Metamorphose vom scheinbar unbedeutenden Alltagsgegenstand zu einem komplexen undurchdringlichen Gesamtobjekt ist charakteristisch für das Werk von Georg Herold.

In diesem Sinne ist auch die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Werke als Transformation des Individuellen und gleichzeitig als Behauptung des Einzelnen zu verstehen. Die Watte als Formelement der Erkerkultur mit ihren spezifischen konstanten Prinzipien ist etwas völlig Anderes als das künstlerische Konzept von Georg Herold, das die ironische Brechung und Hinterfragung der Seh- und Kontextgewohnheiten des Betrachters impliziert.

Gaby Gappmayr, 2012